Der Jurist und Kolumnist Heinrich Schmitz hat die Problematik der Klausel sehr schön so zusammengefasst: "Solange die verfassungsmäßige Ordnung das Recht zum Widerstand garantiert, ist es garantiert nicht gerechtfertigt, von diesem Recht Gebrauch zu machen. Nach dem Zusammenbruch dieser Ordnung wäre das GG das Erste, was abgeschafft würde, einschließlich des Art. 20 Abs. 4. Toleranz statt Respekt: Die Schattenseiten der Duldung. Der Widerstandsparagraf hat also eigentlich nur deklaratorischen Wert. Sieht halt nett aus. Vielleicht ist die Vorschrift aber auch nicht ungefährlich, weil sie den einen oder anderen auf dumme Gedanken bringen kann. " Der Rechtsstaat schützt auch Leute, die ihn ablehnen. Und abwegige politische Ansichten machen einen Menschen nicht automatisch zu Freiwild, selbst wenn er bei der AfD aktiv und radikal rechts unterwegs ist. Das Recht zur freien Meinungsäußerung bedeutet nicht, dass die offene Gesellschaft Radikale hofieren muss. Weder sind Medien verpflichtet, ihnen eine Bühne zu geben, noch sind sie verpflichtet, ihr Weltbild zu verbreiten.
Die offene Gesellschaft von heute braucht keine Übergriffigkeit, um sich ihrer Gegner zu erwehren "Uneingeschränkte Toleranz führt mit Notwendigkeit zum Verschwinden der Toleranz. Denn wenn wir die unbeschränkte Toleranz sogar auf die Intoleranten ausdehnen, wenn wir nicht bereit sind, eine tolerante Gesellschaftsordnung gegen die Angriffe der Intoleranz zu verteidigen, dann werden die Toleranten vernichtet werden und die Toleranz mit ihnen. " Dies schrieb Karl Popper im Jahr 1944 in seinem Buch "Die offene Gesellschaft und ihre Feinde", welches ein Jahr später veröffentlicht wurde. Keine toleranz wir dulden keine 4. Es waren nicht zuletzt die historischen Erfahrungen seiner Zeit, insbesondere der Weimarer Republik, die den liberalen Philosophen zu dieser Erkenntnis brachten. Heute wird Poppers Forderung für die Bekämpfung von politischem Radikalismus missbraucht. Auch in der aktuellen Debatte um die Aktivitäten des "Zentrums für politische Schönheit" (ZpS) gegen den AfD-Politiker Björn Höcke dienen manchem Sympathisanten des Künstlerkollektivs Poppers Zeilen als Rechtfertigung.
Toleriert werden heißt eher, geduldet zu werden, als dass die Mehrheit einem Wertschätzung und Respekt entgegenbringt. Zu diesem Fazit kommen Psychologen in einem Forschungsüberblick, in dem sie die Schattenseiten der Toleranz diskutieren – und zwar aus Sicht derer, die toleriert werden, also der Minderheiten oder Andersdenkenden in Gesellschaften. Sozialpsychologische Forschungen zeigen: Das Gefühl, nur toleriert, aber nicht respektiert zu werden, ist sehr verbreitet. Wer sich toleriert fühlt, steht unter Druck: Den Angehörigen anderer Kulturen oder Religionen ist bewusst, dass einige ihrer Lebensweisen abgelehnt und nur ertragen werden. Das verbrauche kognitive Ressourcen und bedrohe das Gefühl von Kontrolle und Vorhersagbarkeit, schreiben die Psychologen. Gleichzeitig verstärke es Gefühle der Skepsis und Unsicherheit. Keine toleranz wir dulden keine bundesliga wie bisher. So scheint Toleranz ein zwiespältiges Phänomen zu sein. Sie sei zentraler Bestandteil aller Demokratien, denn sie sei eine notwendige Voraussetzung dafür, dass Diversität funktioniert, schreiben die Forscher.
8. Februar 2005 · Quelle: MOZ-Niederbarnimecho Erklärung der Bernauer Stadtverordnetenversammlung Anlässlich des 60. Jahrestages des Endes des Zweiten Weltkrieges und als Reaktion auf den rechtsextremistischen Aufmarsch in Bernau am 22. Januar sowie den Anschlag auf den Jugendklub "Dosto" in der Nacht darauf verabschiedeten die Bernauer Stadtverordneten einstimmig folgende Erklärung: " Das 60. Jahr nach der Zerschlagung der Nazi-Barbarei ist zugleich das erste Jahr einer Dekade, die die "Vereinten Nationen" unter das Thema gestellt haben: "Bildung für nachhaltige Entwicklung". Anlass für uns zum Gedenken und Gestalten: Wer gedenkt, verarbeitet Geschichte. Wer gestalten will, geht von Geschichte aus. Keine toleranz wir dulden keine mama. So ergibt sich, wofür wir einstehen, ergibt sich auch, wogegen wir uns wenden. Wir lassen uns in unserem Gemeinwesen bestimmen von einem Leitbild zur Gestaltung der e i n e n Welt in Gerechtigkeit und Frieden, bei Bewahrung unserer Erde als kostbaren Lebensraum.