Wir werden nicht durch die Erinnerung an unsere Vergangenheit weise, sondern durch die Verantwortung für unsere Zukunft. George Bernard Shaw
Auch psychische und soziale Faktoren hatten offensichtlich Auswirkungen auf das Gedächtnis der Probanden. Besonders gut merken wir uns Erlebnisse, die mit starken Gefühlen verknüpft sind. Viele Menschen können sich noch in allen Einzelheiten daran erinnern, wie sie ihren Partner kennengelernt haben oder wie sehr sie ein Todesfall getroffen hat. Emotionale Ereignisse werden vom Gehirn als besonders bedeutsam eingestuft und besser in unserem Langzeitgedächtnis verankert. Fotos verdrängen reale Erinnerungen Viele kennen das Phänomen: Je länger ein Urlaub zurückliegt, umso mehr erinnern wir uns nur noch an die Bilder, die wir auf Fotopapier gebannt haben. Für das Gehirn sind Fotos sehr praktisch: Was normalerweise in unserem Gedächtnis nur noch schwammig erhalten bleiben würde, kann durch die Bilder immer wieder aufgefrischt werden. Das Experiment von Elizabeth Loftus hat jedoch auch gezeigt, wie trügerisch Fotos sein können. Im schlimmsten Fall verdrängen sie unsere reale Erinnerung. So kommt es auch, dass viele Menschen ihre eigenen Erinnerungen mit Szenen durcheinanderbringen, die sie beispielsweise in Filmen gesehen haben.
Bei einer Gegenüberstellung werden diese originalen, oftmals jedoch schwammigen Erinnerungen mit neuen Informationen vermischt. Das Gedächtnis setzt sie wie Puzzleteile zu einem vollständigen Bild zusammen, das mit der Wahrheit oft nur noch wenig zu tun hat. Neun Jahre unschuldig im Gefängnis Auf diese Weise werden immer wieder Unschuldige verurteilt, wie etwa im Fall des Amerikaners Kirk Bloodsworth. Dieser saß neun Jahre lang unschuldig im Gefängnis, weil Augenzeugen ihn als den Mörder eines kleinen Mädchens erkannt haben wollten. Erst eine DNA-Analyse ergab, dass Bloodsworth unschuldig war. Am Kulturwissenschaftlichen Institut Essen untersuchen der Neurowissenschaftler Hans Joachim Markowitsch und der Sozialpsychologe Harald Welzer gemeinsam, welche Faktoren auf unser Gedächtnis einwirken können. Mit einem Kernspintomographen beispielsweise analysierten sie die Hirnaktivitäten bei verschiedenen Versuchspersonen, während diese Erlebnisse aus ihrer Vergangenheit erzählten. Auch soziale Faktoren bestimmen, wie wir mit Erinnerungen umgehen Dabei stellten sie fest, dass sich junge Menschen anders erinnern als ältere und dass in jedem Alter andere Erinnerungen wichtig sind.