Hat man als Leser auf den ersten 90 Seiten Richard Schröders feinsinnig polemischen Humor genossen, steigt man in den Kapiteln "Wissen, Meinen, Glauben" und "Atheismus" steil in den Heizungskeller der Erkenntnistheorie, der Philosophie und Theologie hinab, öffnet die Vorratsschränke der Griechen, des Mittelalters und der Aufklärung, kramt in Spinozas, Kants und Feuerbachs Schubladen nach Denkinstrumenten und - atmet dennoch niemals feuchtfromme Modrigkeit oder trockenen Gelehrtenstaub ein. Richard Schröder kann nämlich plausibel machen, ohne populistisch zu sein und - er widerlegt vom "Gewaltpotential des Monotheismus", über die "Exklusivität des christlichen Wahrheitsanspruchs" bis zu Kreuzzügen und Hexenverbrennungen jeden atheistischen Vorwurf mit derselben intellektuellen Präzision, mit der er Richard Dawkins' biologistischen Gen-Materialismus als letztlich menschenverachtend entlarvte. "Den Satz von Karl Marx, dass der Mensch für den Menschen das höchste Wesen sei, kann man menschenfreundlich verstehen, nämlich negativ: Es darf für Menschen keine Ziele geben, denen sie Menschenopfer bringen.
Überzeugend zeigt Schröder, dass Dawkins' Verdikte gegen die Religion vor Unwissenheit und Dünkel strotzen und dass die Art und Weise, wie er naturwissenschaftliche Theoreme zu kulturwissenschaftlichen und weltanschaulichen Spekulationen extrapoliert, "schlechte Metaphysik" ist - "Pseudoreligion". Schröder hält dagegen, dass sich ernsthaft "kein gesunder Mensch" im Sinne Dawkins' als Gen-"Behälter" verstehe, weil "alle Menschen irgendwie den Unterschied zwischen Person und Sache kennen". Aber leider: Wenn das so wäre, würde sich sein Buch erübrigen. Und lässt sich, wer allen Ernstes meint, durch die Bekehrung zum Atheismus werde die Welt von allerlei Gewalt und anderem Übel befreit, durch Gründe vom Gegenteil überzeugen? Präzises Denken gegen plumpen Atheismus | deutschlandfunkkultur.de. Es stellt sich ja doch die Frage nach den Lebensverhältnissen und den von ihnen hervorgebrachten Mentalitäten, für die die Unterscheidung zwischen Jemand und Etwas immer unschärfer wird. Vor allem: Droht die "Abschaffung der Religion" wirklich von Seiten naturalistischer Spekulationen à la Dawkins?
Wie diese Zitate schon exemplarisch deutlich machen argumentiert Schröder nicht aus der differenzierten und sachlichen Perspektive des Wissenschaftlers heraus. Bereits in der Vorbemerkung stellt er sich als "Christen in einer postkommunistischen, immer noch atheistisch geprägten Gesellschaft" (S. 9) vor. Und im letzten Satz ruft er seinen Gott mit den Worten an: "Gib mir bitte so viel Verstand, dass ich erkenne, was ich meiden sollte" (S. 224). Richard schröder abschaffung der religion news. Auch formal mangelt es an der gebotenen Sachlich- und Wissenschaftlichkeit: Die einzelnen Kapitel passen inhaltlich nicht immer zusammen, wirken wie aneinandergereihte Fragmente zu einem allgemeinen Themenkomplex und greifen nur teilweise die eigentliche Thematik der Atheismus- oder Dawkins-Kritik auf. Darüber hinaus verweist Schröder - mit Ausnahme für die Zitate aus den beiden Büchern von Dawkins - nicht auf Belege für seine Argumente. Auch missfällt sein polemischer und überheblicher Ton, wobei dies aber angesichts des gleichen Agierens des Kritisierten als legitime Reaktion gelten kann.