Hauke Huckstädt vor dem Frankfurter Literaturhaus Foto: Arne Dedert/ picture alliance/ dpa Zur Person Hauke Hückstädt, 1969 in Schwedt geboren, siedelte 1984 nach Hannover über, wo er nach einer Tischlerlehre Germanistik und Geschichte studierte. Er war im Leitungsteam des Literarischen Salons Hannover, von 2000 bis 2010 verantwortete er das Literarische Zentrum Göttingen. Seither ist er Leiter des Literaturhauses Frankfurt am Main. Der von ihm herausgegebene Band "LiES. Das Buch" versammelt Geschichten von Alissa Walser, Anna Kim, Arno Geiger, Henning Ahrens, Jens Mühling, Judith Hermann, Julia Schoch, Kristof Magnusson, Maruan Paschen, Mirko Bonné, Nora Bossong, Olga Grjasnowa und Ulrike Almut Sandig - alle verfasst in Einfacher Sprache. SPIEGEL: Herr Hückstädt, Sie schreiben im Nachwort des von Ihnen herausgegebenen Sammelbands: "Einfache Sprache ist eine Sprache, die wir verlernt haben". Was ist denn passiert? Julia schoch ich verlasse dịch vụ. Hückstädt: Im Vorschulalter haben wir sie alle sehr gut beherrscht, konnten fast allem mit Worten Gestalt geben.
Diskutiert wurde das Buch auf Platz 5 der SWR Bestenliste März 2022: Audio herunterladen (14, 6 MB | MP3) Das autofiktionale Schreiben als literarische Ausdrucksform von Identitätserkundung ist mittlerweile zu einer in vielen Varianten praktizierten Modeerscheinung geworden. Julia Schoch hat diesem Ansatz in ihrem neuen Roman noch einmal eine neue Volte und eine zusätzliche Reflexionsebene hinzugefügt. Auf dem Umschlag stehen gleich zwei Gattungen: "Biographie einer Frau" und "Roman", und beides wird in ein Spannungsverhältnis zueinander gesetzt. Julia schoch ich verlasse dict.xmatiere. Das titelgebende Vorkommnis ereignet sich gleich auf der ersten Seite: Eine Autorin liest in einer norddeutschen Stadt aus ihrem neuen Roman vor. Im Anschluss an die Veranstaltung tritt eine Frau an den Signiertisch und sagt lapidar: "Wir haben übrigens denselben Vater. " Eine Begegnung, die das Leben der Autorin auf den Kopf stellt und ihr Bild von Familie und Zugehörigkeit noch dazu. Jeder, so sagt Julia Schoch es in einem Interview, habe eine Erzählung von sich selbst, in der alles und jeder seinen festen Platz habe.
SPIEGEL: Auch Nora Bossong ist dabei, sie schreibt auch Lyrik. Die Nähe zur Poesie in den Texten ist auffällig. Haben Sie damit gerechnet? Hückstädt: In der Dichtkunst ist in der Regel weniger mehr. Poesie arbeitet mit dem Mittel der Verknappung. In der Tat haben die Texte durch diese Klarheit etwas Poetisches. Aber wir wussten nicht, was wir bekommen. Das Ganze ist ein Experiment. Satz. SPIEGEL: Als Vorgabe gab es einen Regelkatalog - wie ist der entstanden? Hückstädt: Den haben sich die Autoren hier im Haus gemeinsam erarbeitet, zusammen mit der Fachjournalistin Eva Keller, die sich sehr intensiv mit Inklusions- und Bildungsthemen beschäftigt und Lektorin für Einfache Sprache ist. Es war ein freundlicher Jahrmarkt, auf dem die Sprache und ihre Regeln verhandelt wurden. SPIEGEL: Darunter etwa: Kurze Sätze, keine Zeitsprünge … Hückstädt: Oder: "Wir verwenden keine Sprachbilder. Und wenn, erklären wir diese im Text. " Alle beschrieben es als Herausforderung, dass auf einmal das große Arsenal an Werkzeugen fehlte.
Aber Literatur zu schreiben, muss - bitte schön! - eine Herausforderung sein. Die zehn Regeln wirken, als würde jemand im großen Werkzeugkasten nur drei Schraubschlüssel übrig lassen und sagen: Mach mal. Für alle ist damit eine Reflexionsstufe hinzugekommen. SPIEGEL: Eine Runde Schriftstellerinnen und Schriftsteller, die sich gemeinsam für Inklusion engagieren: Klingt fast nach politischem Aktivismus. Literatur in Einfacher Sprache: Hauke Hückstädt über "LiES. Das Buch" - DER SPIEGEL. Hückstädt: Mehrere Autoren sagten in der Tat: Es sei ein Thema für sie, weil sie keine Lust mehr haben auf Leservertreibung - ihnen gehe es um Lesergewinnung. SPIEGEL: Ist das, was damit entsteht, ein neues Genre oder gehört es zur Tradition anderer Strömungen? Hückstädt: Es ist auf jeden Fall eine absolute Neuheit, wohl auch eine Weltneuheit. Soweit ich recherchiert habe, haben bislang nie etablierte, der Hochkultur zuzurechnende Autoren eigene Texte in dieser Form geschrieben. Für Arno Geiger wird es ganz selbstverständlich Teil seines Werks sein, kein Appendix, keine Gelegenheitsdichtung.